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Laura Rogge und Elena Braunschweig

Interview mit einem DDR- Betroffenen
(Ina S. / 46 Jahre alt)


Wie war die Schule in der DDR? Was fanden Sie besser als heute? Welche Dinge waren schlechter?

Ina S.: Generell hat mir die Schule Spaß gemacht, es war eine einigermaßen schöne Zeit. Was mich ein bisschen gestört hatte, war, dass alles sehr politisch ausgerichtet war, z.B. durch den Staatsbürgerunterricht und die ganze FDJ-Arbeit.
Was heute vielleicht ganz gut ist, ist, dass man samstags nicht zur Schule muss. Wir hatten damals jeden Samstag 4 bis 5 Stunden Unterricht.
Was ich positiv finde ist, dass die Schule zu DDR-Zeiten doch etwas stärker auf die naturwissenschaftliche Ausbildung ausgerichtet war. Angefangen hat es mit dem Werkunterricht, den es heute ja auch noch gibt. Ab der siebten Klasse hatten wir allerdings zwei weitere Fächer, die UTP und ESP hießen. UTP war ein Unterrichtstag in der Produktion um das Wirtschaftsgeschehen kennenzulernen. ESP, die Einführung in die sozialistische Produktion, war mehr ein theoretischer Unterricht. Mir fällt ein, dass es einen sehr politischen Druck in der Schule gab. 
Sehr positiv war allerdings, dass jeder, der das Abitur bestand, die Möglichkeit hatte zu studieren. Er konnte nicht immer das studieren, was er wollte, denn es wurde viel geplant. Man stellte zum Beispiel fest, dass es einen Mangel an Mathe- und Physiklehrern geben könnte und so hatte man versucht bestimmte Schüler davon zu überzeugen diese Richtung einzuschlagen. Ich gehörte dazu. Doch ich muss sagen, ich hab es nicht bereut damals „Nein“ zu sagen.
 
Gibt es etwas, das typisch für die Erziehung der Kinder in der DDR war?

Ina S.: Typisch war, dass die Frauen gearbeitet haben. Das hieß, die Kinder waren von früh auf in der Krippe, dem Kindergarten.... Die Erziehung war also nicht allein vom Elternhaus abhängig.
Ich selber bin allerdings nicht im Kindergarten gewesen, weil es wahrscheinlich zu meiner Zeit, Anfang der 60er Jahre, noch einige Probleme gab. 

Was gab es für Freizeitgestaltungsmöglichkeiten für Jugendliche in der DDR?

Ina S.: Die FDJ (Freie Deutsche Jugend)-Arbeit hat für Jugendliche einen großen Teil eingenommen. Innerhalb der FDJ wurden bestimmte Sachen organisiert.
Es gab viele Arbeitsgemeinschaften. Ich hatte eine AG gewählt, wo man kostenlos an einem Kurs über Amateurfunk teilnehmen konnte, was mir sehr viel Freude bereitete. Eigentlich hatten wir ein sehr umfangreiches Angebot, von Sport über Handarbeiten fand jeder etwas, was ihn interessierte. 

Fällt Ihnen etwas ein, was typisch für das Fernsehen in der DDR war? An was für Programme und Sendung erinnern Sie sich noch?

Ina S.: Unseren ersten Fernseher hatten wir 1963, mein Vater hatte ihn damals selbst gebaut. Zu meiner Schulzeit gehörte es dann dazu, dass fast jeder einen Fernseher besaß. Offizielle Programme waren nur das Erste. Wir in der Berliner Gegend hatten allerdings auch die Möglichkeit durch eine speziell ausgerichtete Antenne das West-Fernsehen zu empfangen. Offiziell war es - zumindest zur Anfangszeit - verboten. Man musste in der Schule sehr aufpassen, denn Lehrer hörten oft sehr geschickt ihre Schüler aus.
Von meinen Eltern weiß ich, dass es am Anfang sogar so weit ging, dass Antennen abgerissen wurden und man Strafen aufgebrummt bekam.
Soviel Auswahl an Programmen wie heute gab es natürlich nicht. Mit West-Fernsehen konnte man insgesamt 5 Sender empfangen. Ich hab gern „Doktor Flimmerich“ geguckt. Das war eine Sendung, wo man lernen konnte, wie Filme gedreht werden. Lustig war die Werbung, „Tausend Teletips“. Werbungen waren zwar unnötig, weil es keinen Konkurrenzkampf gab, trotzdem hat man versucht was an den Mann zu bringen. Noch etwas typisches für das DDR-Fernsehen ist meiner Ansicht nach, dass es diese Gewalt, die heute so oft zu sehen ist, einfach nicht gab. 

Zu den Produkten in der DDR: Was war teuer? Was billig? Welche Produkte konnte man nur schwer erwerben?

Ina S.: Besonders teuer waren sämtliche technischen Artikel. Unseren Fernseher haben wir kurz vor der Wende 1989 gekauft, er hatte 4300 DDR-Mark gekostet. Dazu muss man überlegen, was man verdient hatte. So im Durchschnitt waren es bei einem normalen Arbeiter so zwischen 700 und 900 Mark. Autos waren zwar bezahlbar (ein Trabant hatte am Anfang 8000 Mark gekostet), interessant waren bloß die langen Wartezeiten, so dass man 10 bis 15 Jahre auf ein Auto warten musste. Daher war es Gang und Gebe, dass jeder der 18 wurde, sich für einen Wagen angemeldet hat. Selbst wenn man das Auto nicht brauchte, konnte man diese Anmeldung auf dem Schwarzmarkt für einige Tausender verkaufen.
Ganz schwierig war auch die Erwerbung von Baumaterialien. Man hat sich manchmal an Schlangen angestellt, ohne zu wissen was es gibt, nur um einfach ein kleines Erfolgserlebnis zu haben, das man etwas Besonderes bekommen hat. Über Kleinigkeiten, die heutzutage als gegeben vorausgesetzt werden, hatten wir uns sehr gefreut.
Lebensmittel und Sachen des täglichen Bedarfs waren dagegen sehr billig. Wir haben z.B. immer ein 93-Brot gekauft. Egal wo man war, das Brot kostete immer 93 Pfennig.
Sehr gestützt waren auch Mieten, meiner Meinung nach sogar zu sehr. Denn teilweise war es einigen Leuten gar nicht mehr bewusst, dass sie für 50 Mark Miete leben und sie wurden zu verschwenderisch.  

Was waren Ihrer Ansicht nach die größten Unterschiede von DDR und BRD?

Ina S.: Die Unterschiede waren sehr systembedingt. Hier gab es den Sozialismus und in der BRD den Kapitalismus. Das hieß, in der DDR war keine Arbeitslosigkeit vorhanden.
Ich fand es sehr schade, dass man keine Reisefreiheit hatte. Ich bin sehr gern wandern gegangen und ein großer Wunsch war es einmal in die Alpen zu fahren. Nur wenigen, die sich politisch engagieren, war es vergönnt, über FDJ-Reisen ins Ausland zu kommen. Das war eine kleine Ungerechtigkeit, einige hatten die Möglichkeit und andere nicht.
Doch nach der Wende haben wir erstmal so richtig kennengelernt, dass nicht nur die positive Reisefreiheit auf uns zugekommen ist, sondern man wurde plötzlich mit mehr Gewalt konfrontiert. Sachen wie Rauschgift gab es in der DDR so gut wie nicht. Man hatte insgesamt sicherer gelebt. Türen wurden hier auf dem Dorf nie abgeschlossen. Sowieso war das Verhältnis der Menschen untereinander besser. Man hat sich gegenseitig geholfen, wo man konnte. Heutzutage ist es so, dass man oft die eigenen Nachbarn nicht mehr kennt. Dieses Gemeinschaftsgefühl ist etwas aus der DDR, was mir sehr positiv in Erinnerung geblieben ist. Bei den Menschen gab es kaum Unterschiede, da hieß es eben „Einer für alle und alle für einen“. Das vermisse ich heutzutage.

Was, denken Sie, war ausschlaggebend für den Mauerfall?

Ina S.: Das war eine ganze Reihe an Gründen. Zum einen war es sicherlich die Unzufriedenheit der Bevölkerung und zum anderen die enorme wirtschaftliche Schwäche. Es gab keinen großen Anreiz für die Betriebe, für die Beschäftigten in den Betrieben. Man wurde für die Leistung nicht belohnt. Die Idee des Sozialismus finde ich sehr gut: Alle arbeiten und alles kommt in einen großen Topf. Das kommt allen wieder zugute. Aber die Firmen hatten marktwirtschaftlich gesehen kein Interesse daran, einen großen Gewinn zu erzielen. Ob man gute oder weniger gute Arbeit geleistet hat, war egal, der Lohn war derselbe. Dadurch ist die DDR wirtschaftlich zugrunde gegangen.
 

Wie haben Sie vom Fall der Mauer erfahren und wie haben Sie diesen Moment erlebt?

Ina S.: Irgendwie war es schon ein bisschen in den Gedanken vorbestimmt. Man hatte ja in der Zeit davor intensiv mitbekommen, wie die Flüchtlinge über Ungarn oder die Tschechoslowakei ausgereist sind, man hat mit ihnen mitgefiebert.
Dass die Grenzen aufgemacht wurden, kam dennoch ziemlich überraschend. Damit haben wahrscheinlich die wenigsten Leute gerechnet. Es war auch mehr Zufall gewesen, es war eigentlich gar nicht so gemeint. Die Grenzoffiziere konnten deshalb dem Ganzen kaum Stand halten.
Wir haben das alles im Fernsehen mitverfolgt, haben gesehen wie die Leute über die Grenze sind, wie fassungslos die Grenzoffiziere waren. Einige versuchten die Menge zurückzudrängen, andere gaben sofort nach.
 
Wann waren Sie zum ersten Mal in der BRD?
 
Ina S.: Ich glaube das war der 11.11., bin mit meinem Cousin in einem alten Skoda nach Paderborn zu unseren Verwandten gefahren. Keiner konnte begreifen, dass es nun wirklich funktioniert.

Wie war Ihr erster Eindruck der BRD?

Ina S.: Die Sauberkeit war für mich sehr beeindruckend. Dann natürlich das Warenangebot, da wurde man das erste Mal so richtig „erschlagen“.
 
Ab wann hatten Sie sich an das Leben in der BRD gewöhnt?

Ina S:: Das kann ich nicht so eindeutig sagen. Ich denke mal, dadurch dass ich immer Arbeit hatte und dass wir uns dies und jenes plötzlich kaufen konnten, hatte ich mich relativ schnell daran gewöhnt.

Würden Sie die DDR gerne wieder zurückhaben wollen?
 
Ina S.: Nein, die DDR möchte ich nicht wiederhaben aber einige Dinge aus ihr, wie die soziale Absicherung und die Betreuung der Kinder.

Gibt es noch immer Unterschiede zwischen West und Ost?

Ina S.: Ich glaube, die „Ossis“ werden wir immer bleiben. Das Gehalt ist niedriger, doch die Ausgaben sind höher als im Westen, z.B. bei Strom und Wasser. Ich glaube, meine Generation wird es nicht mehr erleben, dass das alles so einheitlich wird, wie es eigentlich schon längst sein sollte.

Existiert die „Mauer noch immer in den Köpfen“?

Ina S.: Ich denke mal schon, dass dies bei vielen der Fall ist. Solang die wirtschaftlichen Unterschiede nicht aufgehoben sind, wird die Mauer noch weiterhin in den Köpfen existieren.